Es ist verrückt. Skandalös. Was für eine Schande. Dieser Gekreuzigte. Ein Verlierer. Gescheitert. Verflucht. Was für eine Geschichte. Unglaublich. Um die neunte Stunde rief Jesus laut: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und dann neigte er sein Haupt und starb.
Die Ankläger haben sich durchgesetzt. Die Verteidiger haben geschwiegen. Die Maschinerie des Todes ist in Gang gesetzt, unaufhaltsam. Die Türen sind geschlossen. Keiner mehr, der eingreifen könnte, kein Präsident, kein Statthalter, kein Richter. Die Gnadengesuche sind ausgeblieben. Jetzt ist die Zeit der Henker. Es ist dunkle Zeit. Die Lüge ist am Ziel. Dunkle Stille. Karfreitag.
Schon damals konnten die Menschen nur müde über die Behauptung lächeln, dass in diesem Gekreuzigten Gott zu erkennen sei. „Ein Gott, der leidet? Undenkbar! Ein Gott, der dem Leiden nicht aus dem Weg geht? Unmöglich!“
Aber genau dafür steht dieser Karfreitag: Uns wird ein Gott vorgestellt, der mitten hineingeht in den Dreck und das Elend unserer Welt. Mitten hinein in Blut, Schweiß und Tränen. Gott in der Krise. Bloßgestellt. Ausgeliefert. Am Ende.
Dieser Jesus aus Nazareth passte von Anfang an in keine religiöse, politische oder philosophische Schublade: Den Gelehrten ein Gotteslästerer. Den Behörden ein Aufrührer. Den Frommen ein Gesetzesbrecher. Den Anständigen ein Anstoß.
Aber in diesem Christus als dem Gekreuzigten verdichtet sich unsere Frage „Wo ist Gott?“. Eben nicht im Himmel, wo er nach unserer Ansicht hingehört. Sondern mittendrin im Leben und im Sterben.
Für uns nach wie vor kaum auszuhalten oder zu verstehen. Was soll das bedeuten? Ist das eine gute Nachricht?
Mir haben die Zeilen von Gerhard Engelsberger „wenn Gott schweigt“ geholfen, mich dieser Frage bzw. dem Karfreitag anzunähern:
„Wenn Gott schweigt,
singen die Engel.
Wenn Gott schweigt,
stirbt sein Sohn.
Wenn Gott schweigt,
halten die Würfel den Atem an,
der Zufall,
das Geld, die Macher, die Sprecher, die Macht,
alles, was zählt, alle, die zählen,
halten den Atem an.
Wenn Gott schweigt,
dann tritt einen Schritt zurück.
Es ist für dich.
Staune.
Dass Gott schweigt.
Der Prozess wird nicht neu verhandelt.
Du hast gewonnen.
Es bleibt bei deinem Freispruch.
Gott schweigt.
Du lebst.
Mehr geht nicht.“
Ich wünsche Ihnen gesegnete Ostertage!
Wolfgang Klimm (Seelsorger und Theologischer Referent der ELIM Diakonie)
¹ Gerhard Engelsberger „wenn Gott schweigt“: https://www.herder.de/pb/hefte/archiv/2019/3-2019/passionsandacht-wenn-gott-schweigt/
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