Gedanken des Seelsorgers zur aktuellen Lage

Drei Brüder verließen vor Jahren ihr Elternhaus, um ihr Glück in der Ferne zu suchen. Alle drei waren erfolgreich. Eines Tages trafen sich die drei Brüder und erzählten einander, was sie alles mit ihrem Geld für ihre Mutter getan hatten.

Der Älteste berichtete: „Ich habe ihr vor einiger Zeit ein großes Haus für unsere Mutter bauen lassen.

Der Mittlere erwähnte nicht ohne Stolz: „Ich habe einen großen Garten für sie anlegen lassen, damit sie immer frisches Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten ernten kann.“

Der Jüngste meinte: „Ihr wisst doch, dass Mutter so gerne in der Bibel liest. Da ihre Augen schon seit längerem so schlecht sind und sie nicht mehr lesen kann, habe ich ihr einen außergewöhnlichen Papagei gekauft. Er kann die gesamte Bibel auswendig aufsagen. Zwanzig Jahre lang haben Wissenschaftler mit diesem Vogel gearbeitet. So lange, bis er alle Verse aufsagen konnte. Es gibt keinen anderen Vogel wie diesen. Unsere Mutter muss lediglich die Bibelstelle sagen z.B. Matthäusevangelium Kapitel 8 – und der Papagei zitiert fehlerlos das Kapitel.“

Kurz nach ihrem Treffen bekamen die drei Brüder Post von der Mutter. Sie wollte sich bei Ihren Söhnen bedanken: „Lieber Fritz“, schrieb sie an den ältesten Sohn. „Das Haus, das du mir hast bauen lassen ist viel zu groß. Ich nutze nur ein Zimmer. Und ich schaffe es kaum, das große Haus sauber zu halten.“

„Lieber Herbert“, schrieb sie dem zweiten Sohn, „ich bin zu alt für die Arbeit im Garten. Deshalb kaufe ich das Obst und Gemüse auf dem Markt. Und der Garten verwildert leider mit der Zeit.“

„Lieber Johannes“, schrieb sie an den Jüngsten, „Du hast ein gutes Gefühl, was deine Mutter braucht. Der kleine Gockel, den du mir geschickt hast, hat wunderbar geschmeckt!“

Der Wert so mancher Dinge entscheidet sich offensichtlich im Auge des Betrachters. Die Mutter hat „nur“ den kleinen Gockel gesehen bzw. einen leckeren Braten. Der jüngste Sohn aber hatte viel Geld in den Papagei und dessen Sprachtraining bzw. Bibelwissen investiert.

Was ist Ihnen „teuer“? Was ist Ihnen „wertvoll“? Was „schätzen“ Sie? In dem Brief an die christliche Gemeinde in Korinth wird den Empfängern im Blick auf ihr eigenes Leben zugesagt: „Ihr seid teuer erkauft!“¹

„Teuer“ hört sich besser an als „billig“ – oder? Das hängt wieder vom Auge des Betrachters ab. Bei „teuer“ schwingt manchmal das Wörtchen „zu“ mit: Zu teuer. Ins Restaurant gehen? Ein neues Auto kaufen? Urlaub? Neue Wohnung? Zu teuer! 

„Billig“ klingt hierbei deutlich verlockender. Das sehen Sie an den einschlägigen Werbesendungen. Da ist alles billig. Aber nur noch drei Tage, der Vorrat ist begrenzt, 

Andererseits klingt „billig“ auch nach „schlecht“. Z.B. in der „billigen Ausrede“ oder einem  „billigen Scherz“. Demgegenüber klingt teuer deutlich besser.  Da ist mir etwas wert: Die Briefmarkensammlung, das besondere Geschirr, das alte Gemälde der Großmutter oder das besondere Kleidungsstück. Wir sprechen auch vom „Liebhaberstück“. Und es schmerzt richtig, wenn wir uns davon trennen müssen. Weil es etwas Besonderes ist. Vor allem weil es uns so viel bedeutet und schöne Erinnerungen damit verbunden sind.

Diese Liebhaberstücke haben nicht unbedingt einen hohen Ladenpreis, aber sie sind mir lieb und teuer. Weil sie mit meiner Lebensgeschichte verknüpft sind. So, und jetzt die entscheidende Frage: Wie teuer sind Sie? Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt? „Was bin ich wert? Was ist mein Leben wert?“ Nach welchen Maßstäben wird dieser Wert ermittelt? Nach meiner Arbeitsleistung? Nach dem Verkaufswert meiner Organe? Nach dem Versicherungswert im Todesfall? Geht es bei der Ermittlung meines Wertes um das, was ich bin, was ich kann, was ich habe? Geht es dann vor allem um Verwertbares bzw. Zählbares? Der Philosoph Immanuel Kant sagt dazu: „Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes … gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist … das hat eine Würde!“² Und dieser Wert, diese Würde ist bekanntermaßen „unantastbar“. 

Bei der Frage nach dieser Würde und dem, was der Mensch wert ist,  geht es vor allem darum, „wem bin ich etwas wert?“. Es geht also nicht um einen fest taxierten Preis. Für jeden von uns gilt: „Sie sind teuer! Sie sind wertvoll. Sie sind ein Unikat! Sie sind Gottes Liebhaberstück!“ Und zwar nicht obwohl, sondern weil ihr Preis nicht zu beziffern ist. Wir sind wir wertvoll, weil wir jemandem und vor allem Gott wertvoll sind.

Weil wir unseren Wert viel zu oft darüber bemessen, indem wir uns mit anderen Menschen vergleichen. Und die anderen in unseren Augen fitter, gesünder, kompetenter, cleverer usw. sind. Hier eine kleine Übung zum Abschluss: Streichen Sie aus der folgenden Aufzählung die kursiven Worte und lesen nur die fettgedruckten Worte. Laut!

  • Ich bin nicht schön genug
  • Ich bin nicht clever genug
  • Ich bin nicht attraktiv genug
  • Ich bin nicht lustig genug
  • Ich bin nicht belesen genug
  • Ich bin nicht reich genug
  • Ich bin nicht jung genug
  • Ich bin nicht muskulös genug
  • Ich bin nicht sportlich genug
  • Ich bin nicht talentiert genug
  • Ich bin nicht gesund genug
  • Ich bin nicht weit gereist genug

Du bist genug!³

Seien Sie gesegnet! 

Ihr Seelsorger
Wolfgang Klimm

¹ 1. Brief an die Korinther Kapitel 7 Vers 23
² Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 2, AA, 434
³ Vgl. Matt Haig: The comfort Book, Edinburgh 2021; S.93

Pastor Wolfgang Klimm

Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.

Nehmen Sie gerne Kontakt auf,
wenn Sie z. B.

  • Lebens- oder Glaubenshilfe suchen,
  • über Ihre Sorgen oder Ängste sprechen möchten,
  • ein Fürbitte- oder Segensgebet wünschen.

Sie sind herzlich zu den regelmäßig stattfindenden Andachten eingeladen.

Kontakt und Terminvereinbarung
mit Pastor Wolfgang Klimm
Telefon: 040 55425-371
E-Mail: klimm@elim-diakonie.de