„Das hat uns gerade noch gefehlt! Das darf doch alles nicht wahr sein! Wie lange müssen wir diese schwierigen Umstände noch verkraften? Eigentlich haben wir gehofft, dass wir über den Berg sind. Und jetzt sind wir wieder in der Quarantäne. Eingesperrt. Isoliert. Unsere Kraft ist am Ende…“
Den Start in das neue Jahr 2022 haben wir uns wirklich anders vorgestellt. Vor allem haben wir es uns einander gewünscht, dass wir genau vor dieser erneuten Durststrecke bewahrt bleiben. Und wir unsere kleine Kraft für die normalen Herausforderungen des Alltags einsetzen können. Der normale Alltag in unserem Seniorencentrum ist schon schwer genug. Und jetzt das. Es ist zum Verzweifeln und zum Verzagen.
Da fällt einem nichts mehr ein. Bei solchen krisenhaften Ereignissen, die wir nicht verstehen. Die wir nicht einordnen oder einsortieren können. Wie passt das alles mit unserem Vertrauen auf Gottes oder seine Zuwendung zu uns zusammen? Es verschlägt uns mal wieder die Sprache. Wir wissen nicht weiter. Wir sind mit unserem Latein am Ende. Auch mit dem Glauben am Ende. Was soll man tun? Wie geht das zusammen: Anstrengende Dauerkrise, verzagter Glaube, heftiger Zweifel, ungelöste Fragen…?
Wohl dem, der in solchen Situationen noch klagen kann. Vielleicht mit den Worten des Psalmbeters:
„Gott, höre mein Gebet und verbirg dich nicht vor meinem Flehen. Merke auf mich und erhöre mich, wie ich so ruhelos klage und heule…Mein Herz ängstigt sich in meinem Leib, und die Schrecken des Todes sind auf mich gefallen. Furcht und Zittern ist über mich gekommen, und Grauen bedeckt mich.“ Psalm 55
Oder mit einem anderen gebeutelten Beter aus Psalm 73
„Jetzt habe ich nichts als Sorgen von früh bis spät, jeder Morgen bringt mir neuen Kummer… Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“
Vielleicht kennen Sie das Drama: „Draußen vor der Tür“?
Wolfgang Borchert beschreibt in diesem Stück das Gefühl der Entwurzelung direkt nach dem Krieg. Ein junger Soldat kommt nach Hause und erkennt seine alte Heimat nicht wieder. Er kommt sich vor wie in einem falschen Film. Nicht nur, weil der, der ihn in den Krieg schickte, nicht mehr da ist. Oder auch das versprochene tausend jährige Reich in Trümmern liegt. Sondern ihm ist die alte Heimat fremd geworden. Dazu ist der junge Soldat sich selbst fremd geworden.
Draußen auf dem Schlachtfeld hat er so viel Entsetzliches gesehen, was ein Mensch überhaupt nicht sehen müssen sollte. Die Fremdheit trägt er in sich. Jetzt ist er ein Fremder unter Fremden. Er findet sich nicht in dem Neuen nicht zurecht. Der junge Soldat fasst keinen Fuß mehr. Sein Weg endet im Dunkel.
Jeder von uns sehnt sich nach Heimat. Sehnt sich danach, Zuflucht vor den Stürmen des Lebens zu finden. Geborgenheit zu erleben. Zu hören: „Schön, dass Du da bist! Hier bist Du in Sicherheit.“
Vor ein paar Wochen haben wir die Weihnachtsgeschichte gehört: Für Maria und Josef gab es keinen Platz in der Herberge. Wir erzählen und besingen in den Liedern, wie Josef und Maria an so viele Gasthäuser klopfen. Immer wieder werden sie abgewiesen. Schließlich erbarmt sich einer und bietet den beiden in seinem Stall einen Unterschlupf an. Kurze Zeit später muss die junge Familie vor den Schächern des Herodes ins Ausland nach Ägypten fliehen. Ist das nicht irritierend? Unter welchen widrigen Umständen Gott in unserer Welt ankommt? Nicht in einer abgeschirmten Sicherheitszone in den Palästen. Sondern mitten in den Turbulenzen des alltäglichen Überlebenskampfes. Am Ende schreit er hilflos und unter Schmerzen seine Zweifel gen Himmel: „Mein Gott, mein Gott! Warum hast Du mich verlassen?“
Dadurch wird uns deutlich vor Augen geführt: Gott hat uns diese ganze Suppe weder versalzen noch eingebrockt. Es ist das Leben, das manchmal unberechenbare und ungerechte Kapriolen schlägt.
Aber in allen Unwägbarkeiten, Talsohlen, Abstürzen und Schwierigkeiten wird uns von Gott trotz allem zugesprochen: „Ich bin bei Dir! Ich bin bei Euch!“
In einem weiteren Psalm heißt es dazu: „Gesegnet sei mein Gott! Tagtäglich lädt er sich’s für uns auf, die Gottheit ist unsere Befreiung!“ Psalm 68,20
Gott hebt Lasten hoch – an unserer statt. Er packt uns also nicht noch eins drauf, sondern im Gegenteil: Er macht es für uns tragbarer, erträglicher. Das Leben kann nämlich furchtbar unfair sein. Das wussten die Menschen auch vor 2000 Jahren. Mancher kommt beneidenswert gut weg, der andre mit einem blauen Auge davon, der dritte kriegt´s doppelt und dreifach ab und immer noch eins drauf. Doch nicht Gott ist der, der das macht. Die biblische Erfahrung war: Gott ist der, der uns beisteht und es uns erleichtert. Gott ist derjenige, der uns die Schwergewichte anhebt, die das Leben uns auferlegt. Gott selbst wuchtet die Belastungen auf seine Schultern und trägt uns. Gott bürdet sich unsere Lasten selber auf.
Schlussendlich bekommen wir keine befriedigende Antwort auf unsere vielen „Warums“. Sondern „am Ende der Suche und der Frage nach Gott steht keine Antwort, sondern eine Umarmung.“ (Dorothee Sölle)
Ich wünsche Ihnen und uns allen in dieser erneut herausfordernden Zeit, dass wir die tröstende und heilsame Gegenwart Gottes erfahren.
Seien Sie gesegnet!
Herzliche Grüße Ihr Seelsorger
Wolfgang Klimm
Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.
Nehmen Sie gerne Kontakt auf,
wenn Sie z. B.
Sie sind herzlich zu den regelmäßig stattfindenden Andachten eingeladen.
Kontakt und Terminvereinbarung
mit Pastor Wolfgang Klimm
Telefon: 040 55425-371
E-Mail: klimm@elim-diakonie.de
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