Beim heutigen Espresso möchte ich Ihnen eine Frage stellen: Wie halten Sie es mit der Religion? Was ist für Sie Glaub-würdig? Was ist Ihnen heilig bzw. wichtig? Worüber regen Sie sich auf, wenn es um Kirche, Glaube, Religion geht?
Ich bin in einem katholischen Umfeld aufgewachsen und verbrachte über acht Jahre in einem katholischen Knabenseminar in Würzburg. Später wechselte ich aufgrund eines veränderten Glaubens in das freikirchliche Umfeld.
In beiden Lagern begegnete ich Menschen, die enormen Wert auf die korrekten Formen legten. Dass die traditionellen und gewohnten Abläufe gewahrt bleiben. Dass die Bekenntnisse und ethischen Einstellungen „bibeltreu“ sind. Oft schwang die Angst mit, dass der Glaube verwässert wird und man sich „der Welt anpasst“.
Exemplarisch lässt sich diese Angst bzw. Sorge an der Entscheidung in Bayern verdeutlichen. In den dortigen Amtsstuben hat ein Kreuz zu hängen, „als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns“. Eine wie ich finde bemerkenswerte Entwicklung: Das Kreuz wird zu einem Logo, das wir auch für unser ELIM Logo gewählt haben. Soweit so gut.
Allerdings ist diese eindrückliche Form des Kreuzes mit einem entsprechenden Inhalt gekoppelt. Der sollte sich im praktischen Leben, in den konkreten Umgangsformen und erlebbaren Haltungen derer wiederfinden, die dieses Kreuz hochhalten.
Denn wofür steht das Kreuz ursprünglich? Es steht für den Gekreuzigten. Für Jesus Christus und wofür er gelebt hat. Seine Parteinahme für die Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, für die Vergessenen, für die Ausgegrenzten. Er verkörpert Barmherzigkeit mit Leib und Seele.
So drücken wir es auch in unserem Leitbild als ELIM Diakonie aus: Es geht um die menschenfreundliche Haltung und nicht primär um die Einhaltung einer religiöse Formalität. Aber auch so ein Leitbild kann in den Fluren unserer Häuser richtig aufgehängt und treffend formuliert sein. Das „Bekenntnis“ hat aber nur dann einen Wert, wenn es im Alltag in den Beziehungen erlebbar wird.
In einem anderen aktuellen Beispiel sorgte ein religiöses Symbol für Irritationen und heftige Aufregung: Bei der olympischen Eröffnungsfeier wurde ein queeres Festmahl dargestellt. Viele Christen reagierten empört, weil sie die Passionsgeschichte bzw. das Abendmahl verspottet und beschmutzt sahen. Es wurde richtiggehend Alarm geschlagen und der Untergang des „christlichen“ Abendlandes befürchtet.
Manuel Schmid erinnert in seiner Stellungnahme in einem Artikel daran, dass Christen einen Gott verehren, der die abgründigsten Beleidigungen und den heftigsten Spott längst selbst ertragen hat: Jesus wurde als Gotteslästerer verurteilt und in aller Öffentlichkeit am Kreuz unehrenhaft hingerichtet. Keiner seiner Anhänger hat damals protestiert. Schlussendlich hat eine Liebe, die den Tod überwindet, den Spöttern und Lästerern den Wind aus den Segeln genommen.
Die Reizbarkeit der heutigen frommen Kritiker der Dragqueens am vermeintlichen Abendmahlstisch haben eher ihre eigene Verletzbarkeit im Blick und übersehen, dass sie mit ihren Urteilen und religiösen Attacken queere Menschen verletzen. Und übersehen, dass Menschen am Rande der Gesellschaft, ja auch die «schrägen» Figuren in den Evangelien bevorzugte Empfänger der Zuwendung und Gnade Jesu sind.¹
Demgegenüber teilen Jesus und so manche Propheten sehr heftige Kritik und starke Worte an die Moralisten und Traditionalisten aus. Gegenüber einer formalen Religiosität bringt es der Prophet Amos auf den Punkt: „»Ich hasse eure Feiern, geradezu widerwärtig sind sie mir, eure Opferfeste verabscheue ich. Eure lauten Lieder kann ich nicht mehr hören, verschont mich mit eurem Harfengeklimper. Setzt euch lieber für die Gerechtigkeit ein!“² Oder Jesus an die Adresse der frommen Edelmänner: „Ihr Heuchler! Ihr seid wie die weiß getünchten Grabstätten: Von außen erscheinen sie schön, aber innen ist alles voll stinkender Verwesung.“³
Deshalb meine Empfehlung an die frommen Wachposten und göttlichen Ehrenretter: Erst einmal das eigene Haus bestellen und dafür sorgen, dass es ein Schutzraum ist. In dem Menschen nicht klein gemacht oder Schutzbefohlene gar missbraucht werden. Was nützt das beste und klarste Bekenntnis, wenn es an respektvollen Umgangsformen mangelt.
Und ich verzichte gerne auf das Kreuz in einem Logo oder ein geschliffenes Leitbild, wenn das gelebt wird, wofür diese Symbole stehen: Für Menschenfreundlichkeit, gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung. Das ist „Glaub-würdig“.
Herzliche Grüße
Wolfgang Klimm
¹ Manuel Schmidt: „Mit uns kann man es ja machen…“ (RefLab 2024)
² Amos Kapitel 5, Vers 21 ff
³ Matthäus Evangelium Kapitel 23, Vers 27
Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.
Nehmen Sie gerne Kontakt auf,
wenn Sie z. B.
Sie sind herzlich zu den regelmäßig stattfindenden Andachten eingeladen.
Kontakt und Terminvereinbarung
mit Pastor Wolfgang Klimm
Telefon: 040 55425-371
E-Mail: klimm@elim-diakonie.de
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