Die Reformation war zum Teil eine radikale Suchbewegung. Entstanden durch eine tiefe Verunsicherung. Den Menschen saß die Angst im Nacken. Martin Luther öffnete endlich eine viel zu lange verschlossene Türe. Seine 95 Thesen gegen die Missstände in der Kirche soll er der Überlieferung nach an die Türe der Schlosskirche in Wittenberg genagelt haben. So sorgte er für frischen Wind in der Kirche und ein befreites Durchatmen im Glauben und Denken.
Bei der Frage, wie sich diese Dynamik der Reformation bzw. Erneuerung heute zeigen kann, bin ich auf einen Vortrag von Fulbert Steffensky gestoßen. Zu seinem diesjährigen 90. Geburtstag hat er darin einen kleinen Streifzug durch die religiöse Welt unternommen, in die er 1933 geboren wurde bis hin zu unserer heutigen Situation im Jahr 2023.
Verbunden mit der Frage, was wir verloren haben und was Kirche heute anbieten kann:
„Was haben wir verloren im Laufe der letzten 90 Jahren?
Ich nenne einen Verlust, der mich am meisten beunruhigt: Es ist das Verblassen der Frage nach Gott. Ja, das Wort haben wir und hören wir an allen Stellen. Aber wo nähern wir uns ernsthaft, zögernd, verzweifelt, sprachlos, getröstet, seine Schönheit bewundernd, entsetzt, zornig dem großen Geheimnis, dem Herzen der Welt?
…Die Säkularisierung schreitet fort, zumindest in Europa. Zugleich ist überall eine Art „kapellenloser Glaube“ (Rilke) zu finden; d.h. eine Sehnsucht, die sich nicht mehr an deutliche Traditionen und Institutionen bindet; ein Glaube auf Zeit und in Undeutlichkeit.
2002 gab es ein Attentat in der Gutenberg-Schule in Erfurt, das die Kinder tief verstörte. Die Pfarrerin lud für den Tatabend zum Gottesdienst ein. Die Kirchen in dem sehr säkularen Erfurt waren voll. Sie waren die ganze Woche offen für Stille, Gebet und Gespräch. Die Menschen, die kaum noch Gebete kannten, haben sich die christliche Sprache ausgeliehen für diese Zeit der Not. Am Samstag nach dem Attentat gab es einen großen Gottesdienst auf den Domstufen. Der Domplatz war voller Menschen.
Die Kirchen sind eine Art Kostüm- und Sprachverleihanstalt. Sie leihen Kleider, Masken, Sprachen, Lieder, Gesten aus an die, die keine eigenen haben und die doch gelegentlich spüren, dass sie sie brauchen. … Menschen sind Gast im Glauben auf Zeit, und die Aufgabe der Kirche ist, den Fremden zur Verfügung zu stehen und Gastfreundschaft zu gewähren, den stummen Mündern Sprache zu leihen und dem kapellenlosen Glauben ein Haus.
Die Kirche ist ein Ort der verschiedenen Glaubens- und Unglaubensarten. Ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, die man nicht beieinander erwartet. Ein Ort im Morgengrauen des Glaubens; ein Ort, an dem die Undeutlichkeit des Glaubens grösser ist als seine Klarheit; ein Ort auch neuer Wahrheiten, weil man nicht geblendet ist durch falsche Endgültigkeiten.
Aber dieser Ort nennt sich Kirche, offene Kirche. Dort vielleicht in anderer Form: probierender, spielerischer, unabgeschlossener: wahrheitsfähig, weil irrtumsfreudig.“¹
Vielleicht lassen Sie sich durch diese Gedanken und den Feiertag der Reformation neu anstoßen zu einer Suche nach dem „großen Geheimnis, dem Herzen der Welt.“
Herzliche Grüße
Wolfgang Klimm
¹ Fulbert Steffensky in Reise durch meine religiösen Welten (www.feinschwarz.net)
Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.
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wenn Sie z. B.
Sie sind herzlich zu den regelmäßig stattfindenden Andachten eingeladen.
Kontakt und Terminvereinbarung
mit Pastor Wolfgang Klimm
Telefon: 040 55425-371
E-Mail: klimm@elim-diakonie.de
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