In diesem Espresso geht es um eine Frage, die jeden von uns angeht:
Wie können wir zufrieden altern?
Ich habe diese Frage mit unseren Bewohnerinnen in den Andachten bewegt und sie gefragt, ob sie aus ihrer Erfahrung einige Tipps an ihre Enkelkinder geben könnten. Ein Teilnehmer äußerte sich nach längerem Überlegen: „Reise viel, höre gute klassische Musik, vertraue auf Gott.“ Nicht die schlechteste Anregung, oder?
Was sind Ihre Ideen zu diesem lebenslangen Projekt, zufrieden alt zu werden?
Sehr persönlich und inspirierend hat sich dazu Elke Heidenreich in ihrem neu erschienenen Essay geäußert:¹
Sie meint: „Mit dem Alter kommt die Gelassenheit und man begreift: Das meiste ist vollkommen unwichtig. Man sollte einfach atmen und dankbar sein.“
„Alt werden ist wie auf einen Berg steigen“ sagt der schwedische Regisseur Ingmar Bergman. „Je höher man steigt, desto mehr Kräfte sind verbraucht, aber umso weiter sieht man.“ Das Leben bietet so manche Bergtouren. Das verschafft eventuell einen anderen Blick auf die Angelegenheiten des Lebens. Hoffentlich einen tieferen, nachsichtigeren und weitherzigeren.
Und im Rückblick ging alles dann doch ziemlich schnell: „Kaum geboren, ist man schon achtzig“. So hat es der Karikaturist Viktor von Bülow alias Loriot ausgedrückt.
In einer Nonnenstudie erklärten sich 600 US-amerikanische Nonnen bereit, persönliche Texte offenzulegen, die sie während ihres Ordenseintritts verfasst hatten. Das war um 1940, die meisten angehenden Ordensschwestern waren zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 22 Jahre alt. Diese Tagebücher wurden analysiert, um den Schreibstil und die Ausdrucksweise zu untersuchen. Ergebnis: Es stellte sich heraus, dass der Schreibstil und die Sprache, die die Nonnen in ihren Tagebüchern verwendeten, Hinweise auf ihre spätere kognitive Gesundheit und Lebensdauer lieferten. Nonnen, die in ihren Texten eine ausdrucksstärke, positivere und komplexere Sprache verwendeten, hatten tendenziell ein niedrigeres Risiko für Demenz …und lebten im Schnitt zehn Jahre länger.²
Das haben wir ja schon irgendwie geahnt, oder? Wie wir auf die Welt und unser Leben blicken, beeinflusst die Art und Weise, wie wir altern.
Elke Heidenreich zitiert dazu in Ihrem lebensklugen Essay Norberto Bobbio: „Das Alter spiegelt deine Ansicht vom Leben wieder, und noch im Alter wird deine Einstellung zum Leben davon geprägt, ob du das Leben wie einen steilen Berg begriffen hast, der bestiegen werden muss, oder wie einen breiten Strom, in den du eintauchst, um langsam zur Mündung zu schwimmen, oder wie einen undurchdringlichen Wald, in dem du herumirrst, ohne je genau zu wissen, welchen Weg du einschlagen musst, um wieder ins Freie zu kommen.“ Mir gefallen alle drei Wege.“ (S.20)
Und sie hält fest: „Heute mit 81 Jahren weiß ich, dass das Glück kein Zustand ist, nach dem man verzweifelt suchen muss. Es ist immer nur ein Augenblick, und ich habe gelernt, ihn zu erkennen und zu genießen…Das Leben ist eine Kette von Irrtümern, sind die zu Ende, ist alles zu Ende. Denn nach jedem Irrtum geht es immer weiter, es gibt immer Wege und Auswege. Und manchmal, auch das habe ich gelernt, muss man einfach alles loslassen und nichts tun…Gejammert wird nicht. Leute, die jammern, die alles besser wissen, die sich nur beklagen, auf alles schimpfen, immer benachteiligt sind, nie selbst was falsch gemacht haben – grundguter Himmel: Die muss man meiden, immer. Erst recht im Alter.“ (S. 18ff)
Das Leben, davon ist Elke Heidenreich überzeugt, ist „keine Generalprobe für irgendwas, das noch kommt. Es IST die Sache selbst. Mach was draus…Mit achtzig sollte man mehr an die Gegenwart denken, vor der Vergangenheit muss man sich mitunter hüten, alten Kummer schlafen lassen, und die Zukunft ist eh nur noch eine vage Option. Die kommt von allein, und schnell, und dann werden wir schon sehen.“ (S. 34ff)
Der Barockdichter Andreas Gryphius hat seine Lebensweisheit für versöhntes und zufriedenes Altern in den Krisenzeiten des Dreißigjährigen Krieges auf seine Weise formuliert:
Mein sind die Jahre nicht / die mir die Zeit genommen.
Mein sind die Jahre nicht / die etwa möchten kommen.
Der Augenblick ist mein / und nehm‘ ich den in acht
So ist der mein / der Jahr und Ewigkeit gemacht.
Das kann man ruhig nochmal lesen…im Augenblick, den ich jetzt lebe, finden sich Zeit und Ewigkeit. In diese Richtung weisen auch Zeilen aus der Bibel: „Heute! Jetzt ist die Zeit der Gnade. Jetzt ist der Tag des Heils!“
Der bedeutendste Cellist des 20. Jahrhunderts Pablo Casals äußert sich abschließend mit seinen 93 Jahren: „Ich habe immer geglaubt, mit achtzig wäre man alt. Aber jetzt bin ich anderer Ansicht. Es gibt Zeiten, in denen ich mich wie ein Junge fühle. Solange man im Stande ist zu bewundern und zu lieben, solange ist man jung. Und es gibt viel zu bewundern und zu lieben!
Wenn man empfänglich bleibt für die Schönheit der Welt, die uns umgibt, dann entdeckt man, dass das Alter nicht notwendigerweise altern bedeutet, wenigstens nicht im landläufigen Sinne. Ich empfinde heute viele Dinge intensiver als zuvor, und das Leben fasziniert mich immer mehr.“³
Was sagen Sie dazu? Was sind Ihre Empfehlungen für ein zufriedenes Altern?
Herzliche Grüße
Wolfgang Klimm
¹ Elke Heidenreich: „Altern“ (Berlin, 2024)
² Paul Johannes Baumgartner, Holger Mandel: „Oma wär ein verdammt guter CEO“ (Offenbach, 2024) S.12
³ Albert E. Kahn, Peter Baumann: „Pablo Casals Licht und Schatten auf einem langen Weg: Erinnerungen“ (Frankfurt, 2015)
Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.
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