Auf einer Papiertüte in einer Buchhandlung war der Spruch zu lesen: „Für ein Happy End müssen Sie schon etwas mehr lesen.“ Wenn es so einfach wäre! Schön wär’s, oder? Die Welt durch mehr lesen retten. Oder dass wir dadurch ein Happy End in unseren eigenen Krisen ermöglichen.
Leider kennen wir zu viele Geschichten ohne Happy End. Trotz mehr lesen. Und egal wie lange wir lesen – ein Happy End ist aktuell nicht in Sicht. Es herrscht allgemeine Krisenstimmung. Überall auf der Welt sterben Menschen sinnlos. In jedem Krieg. Nicht nur in der Ukraine. Und diese elende Pandemie bleibt uns auch. Düstere Aussichten auf einen dunklen Herbst und harten Winter tönen aus allen Kanälen. Es soll dicke kommen. Kein Ende in Sicht, erst recht kein Happy End. Immer mehr Menschen „katastrophieren“. Wenn nichts mehr sicher ist – worauf sollen wir uns dann verlassen?
Unsere Diakonie trägt in ihrem Namen „ELIM“ einen Hoffnungsschimmer: Oase in Sicht! Aufatmen. Zur Ruhe kommen. Kraft tanken.
Immer wieder wurde so ein Hoffnungszeichen in den Geschichten der jüdischen Bibel gesetzt. Wie z.B. von dem Propheten Jesaja, mitten in dunklen und ungewissen Zeiten:
„Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht;
denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.“¹
„Ich bin sicher und fürchte mich nicht.“ Worte wie ein Geschenk. Wie ein Kehrvers oder ein Mantra, wie ein Schutzwort wollen sie gehört und gesprochen werden. Ich bin sicher und fürchte mich nicht. Allein der Klang dieser Worte hilft.
Der Prophet gibt eine Zusage: „Ihr werdet das. Versprochen, verheißen, sicher. Ihr werdet wieder froh sein.“ Das ist Zukunftsmusik gegen die Zukunftsangst. Und auch gegen den Schmerz der Vergangenheit. Aber: Jetzt noch nicht. Jetzt ist Krieg, Krise, Angst. Und wir haben dabei den Eindruck, Gott hat sich verabschiedet. Zweifel machen sich breit. Wut und Verzweiflung steigen auf. Götterdämmerung.
Diesem Absturz hat Jesaja etwas entgegenzusetzen: Er schreibt wie im Rausch von großen Gefühlen: Gott-Zorn-Angst-Trost-Freude-Dank… Diese großen Worte sollen sich austoben. Wut soll sein. Und die Angst. Und der Schmerz. Nur so geht es. Und wenn das alles gesagt, geschrien, herausgetanzt wird, dann kann etwas heil werden.
„Sobald der Schmerz zur Sprache und so zum Klang kommt, ist er jedenfalls bereits vergangen. Dann werden die Worte begehbares Land…“ Davon erzählt Marica Bodrožić in ihren Büchern. Poetisch und ehrlich. Wie sie selber ihren Schmerz durchlebt hat. Und doch weitergeht. Weiterlebt.
Ähnliches erzählt eine Pfarrerin, wie es ihr nach dem Suizid ihres 26-jährigen Sohnes erging. Vor allem im Blick auf ihren Glauben: „Ich sage mal was zu diesem Gott: In der Seelsorge konnte ich immer gut mit der Frage des Leids umgehen, dass Gott gerade da ist, wo es schwer ist. Aber das ist eine ganz andere Nummer, wenn es dich so selber trifft. Ich bin am Anfang häufig durch unsere Wohnung getigert wie eine Getriebene, habe immer wieder Sätze geschrien: Dieser Scheißdämon. Diese eine Scheißsekunde. Und da war auch: Dieser Scheißgott… Ich habe geflucht und mich verlassen gefühlt, und es ist immer noch eine harte Prüfung. Aber ich bin mit diesem Gott die ganze Zeit in einer Beziehung geblieben.“²
Wer jemals in so einer heftigen Lebenskrise war. Eine schwere Krankheit durchgestanden hat, eine lange Trauer oder beruflichen Absturz erlebt. Der lernt die Bedeutung einer radikalen Akzeptanz kennen. Radikale Akzeptanz heißt, die Ohnmacht zu akzeptieren, die wir als Menschen immer wieder erleben.
Das wirkt auf eigentümliche Weise befreiend. Es erfordert, dass wir uns neu für die Zukunft entscheiden.
Ent-scheiden heißt, sich von Illusionen zu verabschieden. Das Alte, Vertraute, auf dem wir so sehr beharren, und das jetzt krisenhaft geworden ist, loszulassen.
Radikale Akzeptanz heißt: Es ist, wie es ist. Zu akzeptieren, dass es keine schnelle LÖSUNG gibt. Aber viele LOS-Lösungen, die sich zu einem Weg zusammenfügen.³
Solche Los-lösungen gelingen, wenn auch das Dunkle ausgesprochen werden kann. Die dunkle Seite vom Leben und auch die dunkle Seite von Gott.
Land in Sicht, kein Happy End, aber doch begehbares Land, so können wir weitergehen.⁴
Herzliche Grüße!
Wolfgang Klimm
Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.
Nehmen Sie gerne Kontakt auf,
wenn Sie z. B.
Sie sind herzlich zu den regelmäßig stattfindenden Andachten eingeladen.
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