Ist unser Schicksal vorherbestimmt wie ein Roman, den wir nur noch lesen müssen? Oder ist es eher wie ein leeres Notizbuch, in das wir unsere ganz eigenen Geschichten schreiben? Oder sollten wir uns unser Leben wie ein Ausmalbuch vorstellen, bei dem wir aber selbst entscheiden, welche Farben wir verwenden? Oder ist unser Leben vielleicht eine Art Malen nach Zahlen? Hat Gott bestimmte Abläufe nach einem geheimen Fahrplan „vorherbestimmt“? Und wie sind bei solchen Vorstellungen sinnlose Katastrophen zu verstehen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein aktuelles Buch mit dem provokanten Titel: „Gott kann auch nicht alles“ von Jason Liesendahl.¹
Der Auslöser für seine Suche nach tragfähigen Antworten war die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und die Begegnung mit dem als „Hitlerjungen Salomon“ bekannten Juden Sally Perel. Als Perel bei einer Lesung gefragt wurde, warum Gott den Holocaust zugelassen habe, meinte er, dass er die Antwort auf diese Frage nicht kenne. Aber wenn jemand eine Antwort wüsste, dann könne man ihm gerne schreiben.
Diese Aufgabe sollte der Eignungstest für die zahlreichen Erklärungsversuche für das Böse in der Welt sein. Aber verspottet eine wie auch immer geartete Erklärung nicht das abgrundtiefe Leid des jüdischen Volkes? Einige Theologen haben sich schon mit der Frage beschäftigt, wie man nach Ausschwitz überhaupt noch an Gott glauben kann. Was ist das für ein Gott, der dem Bösen nicht Einhalt gebietet und das unzählbare Leid tatenlos geschehen lässt? Hatte dieser Gott nicht versprochen, sich um sein Volk zu kümmern? Wie sind diese grausamen Vorgänge mit dem Bekenntnis von Gottes „Allmacht“, seiner „Güte“ und „Verstehbarkeit“ in Einklang zu bringen?
Oft wird bei dem einen oder anderen Erklärungsversuch zuletzt die „Geheimnis Karte“ ausgespielt: „Wir wissen es nicht – Gott wird schon wissen, wofür das alles gut sein wird“. Der Zweck heiligt hierbei anscheinend die Mittel. Aber was nötigt einen gütigen Gott, solche Dinge zuzulassen? Nicht wenige Menschen haben angesichts ihres eigenen Leids und diesen zynischen Überlegungen ihren Glauben verloren.
Liesendahl zieht in seinem Buch einen ganz eigenen Schluss: Leid ist „Teil der Lebenswirklichkeit…Man muss damit leben. Aber es ist nutzlos. Es ist zu nichts gut. Es ist nicht gerechtfertigt oder notwendig. Es gibt keinen dahinter liegenden Plan. Und dann macht man sich auf den Weg, um das eigene Leben weiterzuleben. Man richtet den Blick also auf das Gute, das nach dem Leid kommen kann. Aber nicht wegen des Leides, sondern trotz des Leides…Das Böse darf sich nicht hinter einem geheimnisvollen Plan Gottes verstecken können…ein göttlicher Plan, der sich das absurde Leid in der Welt zunutze macht, ist ein schrecklicher Plan.“ (S.33f)
Der Autor veranschaulicht sein Fazit mit dem Schicksal von Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer hat diese kritischen Fragen in seinem eigenen Erleben während der Nazizeit durchlebt und durchdacht: Er „erlebte die Ohnmacht des Guten…Wie konnte es sein, dass das Gute verliert? Wo war Gott in all dem? Unter diesem Eindruck schrieb Bonhoeffer folgende Zeilen:
„Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz. Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und nur so ist er bei uns und hilft uns. Christus hilft uns nicht kraft seiner Allmacht, sondern kraft seiner Schwachheit. Die Religiosität des Menschen weist ihn in seiner Not an die Macht Gottes. Die Bibel weist den Menschen an die Ohnmacht und das Leiden Gottes.“ (S. 44)
Neben dieser herausfordernden Frage, wie das Leid angesichts der Güte und Allmacht Gottes zu erklären sind, widmet sich der Autor im Verlauf seines Buches weiteren interessanten Themen: „Gott und die Welt“; „Gott und die Zeit“; „Wer war Jesus?“; „Sünde und Vergebung“; „Handeln statt Beten“
Mit seinen Gedankengängen zu diesen grundlegenden Fragestellungen sorgt der Autor für ausreichend Irritation und hinterfragt selbstverständliche Glaubensbekenntnisse. Ehrlich und klug. Oder wie ein Rezensent feststellt: „Hier schreibt jemand, der denkend glauben und glaubend denken möchte“.
Ausreichend und anregender Stoff für eine spannende Lektüre und einen interessanten Gedankenaustausch.
Herzliche Grüße
Wolfgang Klimm
¹ „Gott kann auch nicht alles – Einführung in die Prozesstheologie“ von Liesendahl, J. (Trier, 2024)
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