In den letzten Wochen und Monaten haben sich viele politische Persönlichkeiten als Führungskräfte für unser Land beworben. Was war das für ein Machtgerangel und phasenweise gockelhaftes Gehabe, um zu zeigen, wer es verdient, das Steuerruder zu übernehmen.
Das hat mich erneut veranlasst mich zum wiederholten Male zu fragen: Was zeichnet eigentlich eine gute Führungskraft aus? Wenn man ihr nachsagt: „Gut gebrüllt, Löwe“? Wenn sie die anderen in den Schatten stellt und ohne Rücksicht auf Verluste ihre Ziele durchsetzt? Und dabei nicht nach links und nicht nach rechts schaut?
Oder sind diese Raubtierqualitäten eher hinderlich im Auftreten eines Verantwortungsträgers?
Lassen Sie mich dazu ein kleines Beispiel erzählen aus der Geschichte erzählen:
Ende des 19. Jahrhunderts bemühten sich zwei Männer um die Führungsposition in der englischen Politik: William Gladstone und Benjamin Disraeli. Beide waren starke Führungspersönlichkeiten. Beide wurden mehrmals zum Premierminister gewählt.
Der feine Unterschied zwischen den beiden wird an einer Begegnung mit einer jungen Frau deutlich:
An zwei aufeinanderfolgenden Abenden wurde sie von einem der Staatsmänner zum Essen eingeladen. Als man sie anschließend nach ihrem Eindruck fragte, sagte sie:
„Nach dem Abendessen mit Herrn Gladstone dachte ich, er sei der klügste Mann Englands.
Nach dem Essen mit Herrn Disraeli war ich der Meinung, ich sei die klügste Frau von ganz England.“
Ein feiner Unterschied, oder?
Jesus ritt damals auf einem Esel in der Hauptstadt Israels ein. Die Menschen erinnerten sich an die prophetische Ankündigung: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Retter ist er. Er ist arm und reitet auf einem Esel. Dann werde ich die Streitwagen aus Efraim beseitigen und die Schlachtrosse aus Jerusalem. Wenn die Waffen des Krieges zerbrochen sind, wird euer König Frieden stiften unter den Völkern.“¹
Moment! Auf einem Esel? Das hat doch gar nichts mit einer Machtdemonstration zu tun! Sollte ein Machthaber – sollte der Gesandte Gottes nicht auf einem Schlachtross einreiten? Hoch zu Ross? Stolz wie Oskar? „Alle mal herhören: Jetzt komme ich!“ Aber doch nicht auf einem Esel, oder? Esel hatten damals schon den Ruf, dass sie demütig und sanftmütig sind. Damit kann man doch keinen Staat machen?
Ich bin vor kurzem auf ein Buch mit dem Titel „Wacher Geist und fester Schritt“ gestoßen, das den Leser auf eine ungewöhnliche Reise mitnimmt²: Anhand von illustrierten Eselgeschichten beschreibt der Autor, was echte Führung ausmacht: „Esel sind kluge Tiere. Sie wissen, was sie können und sie vertrauen ihrer Kraft. Sie sind enorm belastbar. Wir tun dem Esel Unrecht, wenn wir ihm unterstellen, sich ungern führen zu lassen. In Wahrheit ist es so: Esel müssen nicht geführt werden! Sie brauchen niemanden, der sie führt oder treibt, denn sie sind die geborenen Führungskräfte. Beduinen wissen das und positionieren an die Spitze jeder Kamel Karawane einen Esel.“
In seinem lesenswerten Buch entfaltet der Autor Christoph Quarch über 20 soziale Kompetenzen, die zur Meisterschaft der Führungskunst gehören. Sie sind eher unscheinbar und stehen in der Welt der Löwen und der Trumps nicht sehr hoch im Kurs. Diese Kompetenzen kann man sich bei einem Esel abgucken: die Kunst, den Menschen das Gefühl zu geben, selbst die Führung innezuhaben, während sie doch in Wahrheit die Geführten sind.
Dazu gehört auch die Demut. Bei Jesus hört sich das so an: „Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen. Im Gegenteil: Ich bin gekommen, um anderen zu dienen und mein Leben hinzugeben.“³
Was ist eigentlich Demut? Auf jeden Fall nicht eine Haltung, die zu allem ja und amen sagt. Die unterwürfig ist. Auf Lateinisch heißt sie „Humilitas“ was so viel bedeutet wie „geerdet, gegründet“. Daraus leitet sich der Wortstamm „Humus“ ab, die Erde. Oder auch „human“ bzw. die „Humanität“, die Menschlichkeit.
Der Demütige ist also ein „Erdling“. Der weiß, wo er herkommt und der geerdet ist. Demut ist so gesehen der Mut zu einer Größe, die sich in den Dienst dessen stellt, was Sinn stiftet und Menschen beflügelt: Das Ewige, das Gute, Schöne, Liebenswerte. Wie bei Gott bzw. Jesus eindrücklich abzulesen ist: Der heruntergekommene Gott, der sich bei denen einstellt, die in den Schatten gestellt wurden. Der sie ermutigt aufzustehen. Weil sie wieder gesehen werden und An-sehen erfahren. Den Christen hat Jesus deshalb ins Stammbuch geschrieben: „Wer von euch der Erste sein will, soll den anderen dienen.“ Eine ungewohnte und schräge Melodie in unserer Zeit.
Umso wichtiger, dass wir sie wieder neu erklingen lassen, auch wenn die Löwen mit ihrem Gebrüll aktuell alle einschüchtern wollen.
Die 20 „Eselsbrücken“ von Christoph Quarch helfen wieder neu zu entdecken, dass wahre Führung nicht auf Macht und Lautstärke beruht, sondern auf Feingefühl, Respekt und kluger Zurückhaltung.
Herzliche Grüße!
Wolfgang Klimm
¹ Prophet Sacharia Kapitel 9 Vers 9
² Christoph Quarch und Martha Quarch: „Wacher Geist und fester Schritt: The Donkey School for Leadership“ (Daun, 2025)
³ Matthäus Evangelium Kapitel 20 Vers 26
Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.
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Kontakt und Terminvereinbarung
mit Pastor Wolfgang Klimm
Telefon: 040 55425-371
E-Mail: klimm@elim-diakonie.de
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