Auf einen Espresso mit dem Seelsorger – Februar

Auf’n Espresso mit dem Seelsorger – Februar 2023

„Eine Legende erzählt, dass im Mittelalter ein weiser Mann zu Unrecht des Mordes beschuldigt wurde. Der Schuldige war eine sehr einflussreiche Person des Königreichs. Um seine Schuld zu verbergen, suchte dieser nach einem Sündenbock.

Der war schnell gefunden und der unschuldige Mann wurde vor das Gericht gebracht. Obwohl der Richter auch zu den Verschwörern zählte, wollt er den Schein eines gerechten Urteils wahren. Deshalb sagte er zu dem Angeklagten: „Dein Ruf als weiser Mann ist mir bekannt. Deshalb werde ich dein Glück in Gottes Hände legen. Ich werde auf jeweils ein Stück Papier die Worte „Schuldig“ und „Unschuldig“ schreiben. Du wirst wählen und das wird die Vorhersehung sein, die dein Schicksal beschließt.“ Natürlich hatte der hinterlistige Richter zwei Papiere mit demselben Wort vorbereitet: „Schuldig“. 

Dem Opfer wurde klar, dass ihm eine Falle gestellt wurde, ohne die Einzelheiten zu kennen. Als der Richter ihm die Papiere hinhielt, atmete der Mann tief durch. Wartete schweigend mit geschlossenen Augen ein paar Sekunden. Die Leute im Gerichtssaal wurden schon ungeduldig, da öffnete der die Augen und nahm mit einem Lächeln eines der Papiere, legte es in seinen Mund und verschluckte es.

Erstaunt und aufgebracht fuhren ihn die Anwesenden an: „Was hast du gemacht? Wie sollen wir nun das Ergebnis wissen?“

„Ganz einfach“, erwiderte der Mann. „Lest einfach den übrig gebliebenen Zettel und ihr wisst, was auf dem stand, den ich verschluckt habe.“

Mit Brummen und heimlichen Ärger musste der Richter den Angeklagten laufen lassen und dieser wurde nie wieder belästigt.¹

Was für ein eindrucksvolles Beispiel hilfreicher Lebensweisheit. Wenn ein Mensch durchblickt. Zusammenhänge versteht und einen cleveren Einfall hat, der ein schwieriges Problem löst.

Bekanntermaßen ist es ein Vorteil, wenn wir in komplexen Lebenslagen klare Gedanken fassen können. Verschwörungserzählungen und Rattenfänger durchschauen. Uns nicht ein „X für ein U“ vormachen und nicht an der Nase herumführen lassen.

Leider lassen wir uns selbst allzu oft von vertrauten Denkmustern leiten. Übersehen unsere Wahrnehmungsverzerrungen, die kleinere und größere Probleme verursachen können oder unser Zusammenleben erschweren.

Deshalb möchte ich in den folgenden Monaten mit Ihnen einige Denkfehler näher betrachten, um in Zukunft klügere und reflektiertere Entscheidungen treffen zu können.

Heute stelle ich Ihnen als Vorgeschmack den „Dunning-Kruger-Effekt“ vor. Er beschreibt das interessante Phänomen der Selbstüberschätzung: Für die beiden Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger war der Auslöser einer der kuriosesten Banküberfälle, der sich 1995 in Pittsburgh ereignete: Am helllichten Tag raubte ein unmaskierter Mann zwei Geldfilialen aus. Die Videokameras waren ihm offenbar egal. Als sich wenig später die Handschellen schlossen und ihm die Polizei die Überwachungsaufnahmen vorspielte, war seine Verwunderung groß. Er war überzeugt davon, keinesfalls leichtsinnig gehandelt zu haben. Schließlich habe er sein Gesicht vor dem Überfall sorgfältig mit Zitronensaft eingerieben, um sich für die Kameras unkenntlich zu machen. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass inkompetente Menschen ihre eigenen Fähigkeiten auffällig oft überschätzen – während sie gleichzeitig die Leistungen kompetenterer Menschen unterschätzen. Das Dilemma: Es ist ihnen noch nicht einmal bewusst. 

Dieses interessante Phänomen beschrieben die Wissenschaftler etwas genauer in einer Studienreihe mit Studenten. Die Studenten sollten einige Tests durchlaufen und danach einschätzen, wie gut sie im Vergleich zu den anderen Probanden abschnitten. Das Ergebnis: Ausgerechnet diejenigen mit den schlechtesten Ergebnissen glaubten, die besten Lösungen gefunden zu haben. Und nicht nur das: Als sie die Tests der besseren Teilnehmer einsehen durften, waren sie immer noch von ihrer vermeintlichen Überlegenheit überzeugt. Flapsig gesprochen: Sie waren zu dumm, um die eigene Dummheit zu erkennen, und strotzten weiterhin vor Selbstbewusstsein. 

Doof sind also immer nur die anderen. Diese Meinung haben oft diejenigen, die selbst keine Ahnung haben. Wir kennen das aus dem Straßenverkehr: Die meisten jungen männlichen Autofahrer glauben etwa, besser fahren zu können als der Rest der Bevölkerung. Dabei sind sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes das größte Unfallrisiko auf deutschen Straßen. Auch Berufsanfänger überschätzen sich häufig und halten sich für Profis. Man spricht hierbei von einer „Anfängerblase der Selbstüberschätzung“. Ein wenig Erfahrung reiche – schon übersteigt das Ego die eigene Leistung.²

Zum Abschluss zwei Zitate von ziemlich klugen Menschen: „Der Narr meint, er sei weise, doch der weise Mann weiß, dass er ein Narr ist.“³ „Der Kluge lässt sich belehren, der Unkluge weiß alles besser.“⁴

Auch Sokrates brachte es auf den Punkt: „Ich weiß, dass ich nicht weiß!“ Damit behauptet er nicht, dass er nichts wisse. Sondern hinterfragt das, was man zu wissen meint…

Gute Idee, oder?

Herzliche Grüße!

Wolfgang Klimm

Pastor Wolfgang Klimm

Unser Seelsorger steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Konfession oder ihrer weltanschaulichen Prägung als Begleiter und Gesprächspartner zur Verfügung.

Nehmen Sie gerne Kontakt auf,
wenn Sie z. B.

  • Lebens- oder Glaubenshilfe suchen,
  • über Ihre Sorgen oder Ängste sprechen möchten,
  • ein Fürbitte- oder Segensgebet wünschen.

Sie sind herzlich zu den regelmäßig stattfindenden Andachten eingeladen.

Kontakt und Terminvereinbarung
mit Pastor Wolfgang Klimm
Telefon: 040 55425-371
E-Mail: klimm@elim-diakonie.de